Ludwigsburger Kreiszeitung
Zürn fällt Abschied von seinen Jungs schwer
Jochen Zürn hat sich als Handballtrainer in der Region einen Namen gemacht. Die SG BBM Bietigheim führte er in dieser Saison auf einen tollen vierten Platz. Bei der Trainerumfrage der 2. Bundesliga landete der 51-Jährige hinter Emsdettens Coach Patrik Liljestrand auf Rang 2.
Dass die Verantwortlichen seinen Vertrag nach fünf Spielzeiten trotz erfolgreicher Arbeit nicht verlängerten, war eine große Enttäuschung für Jochen Zürn. Der Abschied fällt ihm schwer: „Diese Jungs sind mir sehr ans Herz gewachsen. Wenn man jeden Tag intensiv miteinander gearbeitet hat, dann ist das ein wahnsinniger Einschnitt.“ Künftig wird Zürn als Cheftrainer den Drittligisten TSB Horkheim betreuen. In Bietigheim übernimmt Hartmut Mayerhoffer das Zepter.
Herr Zürn, die SG bestreitet am Samstag beim Bergischen HC das letzte Saisonspiel. Fällt Ihnen der Abschied schwer?
Jochen Zürn: Ja, ungemein. In der SG-Familie habe ich mich sehr wohlgefühlt. Und ich denke, dass ich diese auch verkörpere. Die Mannschaft, die ich als Trainer zusammengebaut habe, diese Jungs sind mir sehr ans Herz gewachsen. Wenn man jeden Tag intensiv miteinander gearbeitet hat, dann ist das ein wahnsinniger Einschnitt.“
Ihr Vertrag wurde frühzeitig nicht verlängert mit der Begründung, man wolle in der neuen Saison noch mehr als bisher auf Spieler aus der eigenen Jugend bauen. Trifft Sie dieser ver- steckte Vorwurf?
Für mich ist es kein Vorwurf, weil ich nachweisen kann, dass ich mit jungen Spielern arbeiten kann. Zum Beispiel Tassilo Heling, Marvin Heinz, Nils Boschen, Pascal Welz, Patrick Rentschler – sie alle waren in den Trainingsbetrieb integriert und haben teilweise auch gespielt. Patrik Zieker haben wir als Jugendspieler bekommen und als Junioren-Weltmeister und Bundesligaspieler nach Lemgo abgegeben. Für mich ist es ein Vorwurf, den ich gar nicht an mich ranlasse.
Der Sprung vom Jugendbereich in die 2. Bundesliga ist riesig.
Deshalb ist es notwendig, einen Spagat hinzukriegen zwischen eigenen Jugendspielern und erfahrenen Akteuren. Zieker war ein Ausnahmetalent, das schafft man nicht jedes Jahr. Bietigheim wird sich schwer tun mit dem Anspruch, weiter oben mitzuspielen und andererseits die Last auf noch mehr junge Schultern zu verteilen.
Fiel es Ihnen schwer, sich für den Rest der Saison zu motivieren?
Ganz und gar nicht. Ich bin ein krankhaft ehrgeiziger Mensch. Ich will immer gewinnen und bin nach Niederlagen ungenießbar. Und ich will den ungenießbaren Jochen Zürn nicht so oft mit nach Hause bringen. Mir war es ein großen Anliegen, der SG einen guten Abschluss der Saison anzubieten. Ich bin stolz und meinen Jungs dankbar, dass wir das eindrucksvoll geschafft haben.
Charakterisieren Sie die SG-Mannschaft, die mit Platz 4 die bisher beste Platzierung in der Vereins- geschichte erreicht hat?
Sie lebt einen wahnsinnigen Teamgeist, hat die Eigenschaft, den Spagat zwischen Lockerheit und Anspannung hinzukriegen, dazu höchste Qualität im Individuellen. Aber diese individuelle Stärke muss in den Dienst der Mannschaft gestellt werden – das ist es. Nicht zu vergessen mein Co-Trainer Sven Scheerschmidt – er war ein Glücksfall für mich. Gemeinsam haben wir es geschafft, aus nicht gerade einfachen, aber sehr wertvollen Charakteren ein funktionierendes System zu machen.
Von welchen Trainerkollegen haben Sie am meisten profitiert?
Am meisten geprägt haben mich Paul Herbinger bei der TSG Oßweil und Rolf Brack, mein Professor an der Universität. Bei ihm habe ich meine Magisterarbeit geschrieben – „Komplexe Sportspielleistung im Handball“. Bei ihm habe ich in der Bundesliga damals beim TSV Scharnhausen hospitiert, Daten der Spielanalyse, Daten im physiologischen und mentalen Bereich gesammelt und ausgewertet. Bei Rolf schätze ich seine Trainingssteuerung und wie er eine Mannschaft managt. Der Paule ist ein guter Analytiker, sehr guter Taktiker.
Schildern Sie Ihre Prinzipien bei der Führung einer Mannschaft.
Ganz wichtig ist mir die Klarheit gegenüber den Spielern. Ich bin ein Disziplin-Fetischist, Disziplin ist unabdingbar im Spitzensport. Letztendlich bin ich ein akribischer Arbeiter und das verlange ich auch von meinen Gegenübern.
Sie verlassen den Kreis Ludwigsburg und wechseln nach Heilbronn zum Drittligisten TSB Horkheim. Geht Ihre Blickrichtung zur 2. Bundes-liga?
Der Kader ist sehr jung geworden, es wurden Talente aus der Region dazugeholt. Im ersten Jahr heißt es, die Mannschaft zu entwickeln und die jungen Spieler zu fördern. Die finanziellen Rahmenbedingungen für die 2. Liga sind im Moment nicht da, daran wird ge- arbeitet. Es würde Heilbronn gut tun, der Mannschaft die Chance zu bieten, überhaupt einmal an die 2. Liga zu denken.
Internatsleiter und Handballtrainer mit Haut und Haaren – wie bringen Sie das unter einen Hut?
Indem man akzeptiert, dass der Tag um 5.30 Uhr beginnt. Dann fahre ich nach Heidelberg, abends vom Geschäft über die Autobahn ins Training, um um 22 Uhr wieder zu Hause zu sein. Ich versuche, in der Mittagspause Sport zu machen und mich fit zu halten. Bei dieser Belastung braucht man einen Rückzugsraum – den bietet mir meine Familie.