Südwestpresse
Der Wahnsinn geht weiter
Im Schwaben-Duell hat der TV Neuhausen die SG BBM Bietigheim in einem Wahnsinnsspiel mit 30:29 besiegt. Bietigheim zählt zu den stärksten Teams in Liga zwei - der TVN angesichts von 13:1 Startpunkten auch.
Man hätte es nicht schöner sagen können als Aleksandar Stevic. "Für solche Spiele spielt man Handball", strahlte der Kapitän des TV Neuhausen nach dem Abpfiff. Die Partie gegen die SG BBM Bietigheim zählt zu den besten, die je in der Hofbühlhalle dargeboten wurden. Gästetrainer Jochen Zürn lobte "das taktisch hohe Niveau", kämpferisch und emotional präsentierten sich die beiden Kontrahenten ebenfalls auf einem Level, der in dieser Klasse nur schwer zu toppen ist.
Dabei musste man sich zu Beginn auf eine eher einseitige Angelegenheit einstellen. Der TV Neuhausen entwickelte eine Dominanz, die man ihm so nicht zugetraut hatte, führte 3:0, 5:1, 6:2 (10.) und in der 15. Minute noch mit 8:4. Von einer "Super-Deckung und genialen Gegenstößen" schwärmte "Aco" Stevic. Bietigheim wackelte bedenklich, was Trainer Jochen Zürn so natürlich nicht akzeptieren konnte. Er schickte Andreas Blodig als "Indianer" aufs Feld - und der TVN hatte ein Problem. Diese 5:1-Deckung schmeckte den Gastgebern überhaupt nicht. So dauerte es exakt sieben Minuten, bis das nächste Erfolgserlebnis zu verzeichnen war. Oft wurde zu früh und deshalb unpräzise abgeschlossen, oder aber der Ball bereits im Aufbau hergegeben. Die SG holte auf, hatte beim 11:11 in der 28. Minute zum ersten Mal egalisiert, beim 12:12 ging es in die Kabine.
Gegenstand des Neuhäuser Halbzeitgesprächs war, wie könnte es auch anders sein, die 5:1. Man fand Mittel, und vor allen Dingen Wege, diese Klippe zu umschiffen. Bietigheim war indes nicht gewillt, auch nur einen Meter Boden in der nun brodelnden Hofbühlhalle preis zu geben. Beim TVN ging viel über den Rückraum. Fabian Gutbrod war von einer Gehirnerschütterung aus der vergangenen Woche gar nichts mehr anzumerken, Jeremias Rose zeigte sich gegen seinen alten Verein sehr engagiert, Ferdinand Michalik und Aleksandar Stevic meldeten sich vornehmlich in der Schlussphase zu Wort.
Es war im zweiten Abschnitt immer die selbe Geschichte: Der TVN legte in dem packenden Match vor, meist zwei Treffer, die SG zog nach, spielte zum Beispiel eine vorzügliche schnelle Mitte.
Bis zur 43. Minute (21:19) ging das Spielchen zunächst, Michaliks 25:23 (51.) war die letzte Zwei-Tore-Führung, ganz wichtig aber: Bietigheim lag nie vorne. Dass dies bis zum Abpfiff so blieb, freute Magnus Becker ganz besonders. Der junge Kerl im TVN-Tor zog der SG in der Schlussphase den Zahn, parierte gegen Robin Haller und Andreas Blodig.
Was sich in der letzten Minute abspielte, wird ihm aber wohl etliche schlaflose Nächte bereiten. Der TVN führte 30:29, Blodigs Schuss war gehalten, Bietigheim hatte den Keeper raus genommen, Becker suchte den direkten Weg - vorbei. "Ich wollte auch mal ein Tor schießen", sagte er, gab aber zu, dass er sich in der Zeit vertan hatte. 59:29 war es, "Magu" hatte 59:59 vermutet. Zum Glück setzte Freudl die finale Bietigheimer Chance an die Latte. Spiel aus, nach dem Abpfiff brachen alle Dämme.
"Ich bin froh, aber fix und fertig", sagte "Jerry" Rose. Den Zuschauern, die von Trainer Markus Gaugisch ein Extralob bekamen, ging es ebenso. "Die SG Bietigheim war uns körperlich überlegen, was wir aber mit schnellen Beinen wett machen konnten. Das hat genau für 60 Minuten gereicht." Ein vielbeachtetes Statement gab sein Kollege Zürn ab: "Danke für die gute Stimmung. Es war die pure Freude, hier 60 Minuten zu spielen, ich kann meinem Team nur Lob zollen, dass es dieses Derby so angenommen hat." Als "irgendwo glücklichen Sieg" hat er jenen des TVN erachtet. Kann man so sehen - muss man aber nicht.
So spielten sie
TV Neuhausen: Slaby, Becker (ab 42.) - Emrich (2), Trost (3), Reusch, Schiller (3), Stevic (4/2), Dürner (1), Michalik (5/2), Rose (5), Gutbrod (7), Oesterle, Klingler, Eisele.
SG BBM Bietigheim: Krotz, Welz - Haller (7), Rentschler, Kibat (1/1), Knierim, Schäfer (6), Lenz, Bühler (4), Blodig (3), Hunz (2), Freudl (5/2), Auer, Schulz (1).
Siebenmeter: 6/4 (Stevic und Dürner scheitern) - 5/3 (Kibat und Freudl scheitern).
Zeitstrafen: Stevic, Rose, Gutbrod (2) - Bühler, Blodig (2).
Schiedsrichter: Philipp Dinges, Daniel Kirsch (Eggenstein-Leopoldshafen).
Zuschauer: 1200.
Ludwigsburger Kreiszeitung
Rose schockt die Bietigheimer
Neuhausen/Erms – In dem bis zum Schluss umkämpften württembergischen Derby der 2. Handball-Bundesliga setzte sich der TV Neuhausen gegen die SG BBM Bietigheim knapp mit 30:29 (12:12) durch.
Derby-Stimmung pur in der proppenvollen Hofbühlhalle. Die 1200 Zuschauer waren aus dem Häuschen, als ausgerechnet der Ex-Bietigheimer Jeremias Rose 70 Sekunden vor Spiel-ende zum 30:29-Endstand traf.
Dabei hatte die SG sieben Sekunden vor Schluss bei Ballbesitz und zweifacher Überzahl noch die Chance auszugleichen. Doch Pierre Freudl donnerte den Ball an die Latte, anstatt zu den besser postierten Mitspielern abzuspielen. „Da haben wir zu früh abgeschlossen,“ ärgerte sich SG-Trainer Jochen Zürn.
Sein Team hatte die Anfangsphase komplett verschlafen. Nach sechs Minuten lagen die wie entfesselt loslegenden Hausherren mit 5:1 vorne. Die Gäste taten sich gegen die aggressive Abwehr des TVN zunächst schwer. Den erstmaligen Ausgleich erzielte Robin Haller beim 11:11 kurz vor Seitenwechsel.
Dominierten im ersten Durchgang noch die Abwehrreihen, drehten in der zweiten Hälfte die Angreifer auf. Die Gastgeber legten vor allem durch ihren Junioren-Weltmeister Fabian Gutbrod vor, doch die SG blieb dran. Vor allem Torjäger Haller (sieben Tore) und der in Halbzeit zwei mit sechs Toren bärenstarke Christian Schäfer sorgten immer wieder für den Ausgleich.
Zudem übertraf Benjamin Krotz im Kasten der SG mit tollen Paraden und zwei gehaltenen Siebenmetern seinen Gegenüber Slaby deutlich. TVN-Coach Markus Gaugisch reagierte, wechselte mit Torhüter Magnus Becker den Matchwinner ein. In der dramatischen Endphase (28:28 durch Freudl und 29:29 durch Schäfer) rettete Becker mit etlichen Paraden seinem Team den glücklichen Sieg.
SG BBM: Krotz; Haller (7), Kibat (1/1), Schäfer (6), Bühler (4), Blodig (3), Hinz (2), Freudl (5/2), Schulz (1).
Bietigheimer Zeitung
Siebter Ausgleich gelingt nicht
TV Neuhausen gewinnt Zweitliga-Derby gegen die SG BBM Bietigheim mit 30:29 (12:12)
Pierre Freudl verpasste mit einem Holztreffer Sekunden vor Spielende den Ausgleich für die SG BBM Bietigheim. Vor 1200 Zuschauern gewann der TV Neuhausen das Derby der Zweiten Handball-Bundesliga 30:29.
Sieben Sekunden Spielzeit zeigte die Uhr an, als der letzte Angriff der Bietigheimer angepfiffen wurde. Pierre Freudl übenahm die Verantwortung, übersah die besser postierten Robin Haller und Andreas Blodig und ballerte die Kugel aufs Tor der Gastgeber, die stieg etwas zu hoch und klatschte gegen die obere Kante des Lattenkreuzes. "Da haben wir einmal unsere taktische Disziplin verloren. Wir hätten noch vier Sekunden Zeit gehabt", kommentierte der Bietigheimer Trainer Jochen Zürn die überhastete Aktion, die den Gästen in der spannenden Partie im Hexenkessel der proppenvollen Hofbühlhalle möglicherweise den verdienten Punkt kostete.
Sechsmal hatten die Bietigheimer den Ausgleich geschafft, der siebte gelang ihnen nicht mehr. Ebenso konnten sie nie in Führung gehen. Der größte Torabstand war den Gastgebern beim 5:1 und 7:3 gelungen. Ansonsten waren die Spielstände extrem eng und sorgten so für eine unglaubliche Spannung in der aufgeheizten Atmosphäre. Überragend agierten angesichts der Brisanz und der Stimmung die beiden Schiedsrichter Philipp Dinges und Daniel Kirsch, die sich nicht beeindrucken ließen und die Partie sachlich und souverän leiteten.
In der ersten Halbzeit fiel die Trefferquote mit nur je zwölf Treffern für beide Teams gering aus. Die Bietigheimer kamen gegen die aggressiv und schwungvoll auftretenden, vom Publikum getragenen Gastgeber schwer in die Partie und vergaben die ersten drei Angriffe. Nach sechs Minuten und einem 1:5-Rückstand nutzte SG-Trainer Zürn, der das Derby mit acht Feldspielern und einem Torhüter durchzog, eine Auszeit, um sein Team einzuschwören, das keinen Zugriff auf die Partie bekommen hatte. Vor allem den langen Fabian Gutbrod bekamen die Gäste nicht unter Kontrolle. Bis zur zehnten Minute gelangen ihnen gerade mal zwei Tore. Vorne ging wenig zusammen, gut, dass Torhüter Benjamin Krotz mehr und mehr Bälle abwehren konnte. Beim Stande von 8:6 für den TVN kam bei der SG Andreas Blodig ins Spiel und danach lief es wesentlich besser. Haller gelang in der 28. Minute zum 11:11 erstmals der Ausgleich für die immer stärker werdenden Gäste. In der weiten Halbzeit steigerten beide Mannschaften ihre Wurfausbeute, in drei Minuten fielen acht Treffer. Haller gelang auch der zweite Ausgleich, als er zum 18:18 traf. Zuvor hatte Krotz einen Siebenmeter von Aleksandar Stevic pariert. Christian Schäfer, eine Woche zuvor gegen Obernburg elffacher Torschütze, war in der ersten Halbzeit völlig untergetaucht, wurde auf Rechtsaußen auch kaum angespielt. Das änderte sich nach der Pause. Schäfer drehte auf und kam noch zu sechs Toren. Zwei davon führten zum 21:21 und zum 25:25. Beim Stande von 27:26 parierte Krotz erneut glänzend, verhinderte gegen Gutbrod das 28:26. In der Endphase zählten jede Parade und jeder erfolgreiche Wurf doppelt, weil die Zeit immer knapper wurde.
Die Bietigheimer schafften es auch nach Bühlers 27:27 und dem 29:29 von Schäfer nicht, in Führung zu gehen. Jeremias Rose erzielte 72 Sekunden vor Spielende das 30:29, das auch den Endstand bedeutete, obwohl die Gäste noch zu zwei Angriffen kamen. Beim ersten scheiterte Blodig am starken Keeper Magnus Becker, der in der 50. Minute Slaby abgelöst hatte und zum Garanten für den Erfolg wurde. Bei Freudls Wurf vier Sekunden vor der Schlusssirene wäre allerdings auch Becker machtlos gewesen.
Der TV Neuhausen hat seit dem Aufstieg in die Zweite Liga 16 von 19 Heimspielen gewonnen und seine Punktebilanz in dieser Sason auf 13:1 ausgebaut. Die SG BBM verlor ihr zweites Auswärtsspiel hintereinander. Am kommenden Samstag gastiert Rheinhausen zum nächsten "Endspiel" in der Qualifikationssaison zur neuen eingleisigen Zweiten Liga in der Halle am Viadukt.
Stimmen und Stimmungen
Verdient Für den ehemaligen Bietigheimer Jeremias Rose, dem der 30:29-Siegtreffer für den TV Neuhausen gelungen ist, war es ein verdienter Sieg. "Es war ein sehr gutes Spiel. Wir sind stabiler geworden und haben gezeigt, dass wir kämpferisch und spielerisch mit den Großen mithalten und sie auch schlagen können. Ich zähle Bietigheim zu den drei, vier Großen der Liga. Ich habe gezeigt, dass ich sowohl auf Rechtsaußen als auch auf der Halbposition spielen kann. Ich freue mich, dass wir gewonnen haben, aber Bietigheim wird immer mein Heimatverein bleiben."
Niveau Die vor dem Spiel von SG-Trainer Jochen Zürn angekündigte Freude auf das Spiel in Neuhausen wohnte auch nach dem Derby in ihm. "Danke für die geile Stimmung. Es ist die pure Freude, vor diesem tollen Publikum Handball zu spielen", sagte Zürn über die einmalige Atmosphäre. "Der Glücklichere hat gewonnen. Es haben sich zwei Mannschaften auf höchstem taktischen Niveau beharkt. Beide haben eine Leistung auf sehr hohem Niveau der Zweiten Liga angeboten", so der Bietigheimer Coach.
Bewunderung Für Zürns Gelassenheit nach der Niederlage bewunderte ihn sein Kollege Markus Gaugisch. Auch der TVN-Coach lobte die Fans: "Mannschaft und Publikum entwickeln sich. Wir wollten gegen die sehr, sehr starken Bietigheimer mit schnellen Beinen so lange laufen, bis sie nicht mehr wollen. Es hat gerade 60 Minuten gereicht. Wir hatten auch ein Quäntchen Glück", gab Gaugisch zu.
Holztreffer "Bitter", so kommentierte Robin Haller, mit fünf Treffern zweitbester Werfer der SG BBM, die Derbyniederlage. "Es kommt ja nicht auf die letzten Aktion an, wir hatten insgesamt fünf Pfostentreffer. Ein Punkt wäre verdient gewesen, dann hätte jeder zufrieden sein können", meinte er.